Wo drei Wochen zuvor die Leitmesse der Schweizer Mikrotechnik stattfand, gab sich Ende April die Welt der industriellen Berufsbildung ein Stelldichein. Der Journée Swissmem im Forum de l’Arc in Moutier bot Gelegenheit, zurück zu blicken, aktuelle Herausforderungen zu diskutieren und neue Wege in die Zukunft zu skizzieren.
Wie schon an der Siams zu Beginn des Monats waren die rund 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Journée Swissmem erfreut, nach pandemiebedingter Pause sich wieder live treffen zu können und unter dem Tagungsmotto «Pandemie und Fachkräftemangel: die neuen Herausforderungen» Erfahrungen auszutauschen.
Wandel und Stabilität – beides zeichnet die Industrie aus
Bereits im Eröffnungsreferat von Pierre Alain Schnegg, Regierungsrat und Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektor des Kantons Bern, wurde klar, dass die Berner Juraregion zu den wichtigen Grundpfeilern der Schweizer Industrie zählt und auch in der Politik als zentrale Arbeitgeberin und Treiberin von Innovationen wahrgenommen wird. Entsprechend setze sich die Regierung auch für Rahmenbedingungen ein, welche der Industrie zugute kämen, so Schnegg.
Mit Zahlen untermauert und vertieft wurden die volkswirtschaftliche Bedeutung der Industrie sowie ihre Wandlungsfähigkeit von den nachfolgenden Referenten Jérôme Cosandey, Westschweizer Direktor von Avenir Suisse
(Referatsfolien), und Stefan Brupbacher, Direktor Swissmem (Referatsfolien). Aus unterschiedlichen Blickwinkeln wiesen sie auf Stärken der Schweizer Tech-Industrie hin, die in der allgemeinen Bevölkerung wohl nicht als solche wahrgenommen werden. Dazu gehören zum Beispiel die untenstehenden Fakten:
- In der Schweiz hat – im Gegensatz zu diversen anderen europäischen Staaten – in den vergangenen Jahren keine De-Industrialisierung stattgefunden.
- Die Produktivität und Wertschöpfung haben in den vergangenen Jahren im industriellen Sektor weiter zugenommen. Die Branche wächst insgesamt zwar langsamer als der Dienstleistungssektor, ist aber klar eine Zukunftsbranche.
- Die Zahl der Beschäftigten in der Industrie ist seit der Jahrtausendwende insgesamt stabil geblieben. Sie bewegt sich – mit konjunkturellen Veränderungen – bei rund 330'000 Mitarbeitenden.
- Der Beschäftigtenanteil der Industrie ist im Jurabogen besonders hoch. Er liegt beispielsweise im Kanton Jura bei über 30 Prozent. Entsprechend ist auch die Bedeutung des sekundären Sektors in Westschweizer Kantonen überdurchschnittlich hoch.
- Liberale Rahmenbedingungen haben in der Schweiz die kontinuierliche Anpassung der Industrie erleichtert. Entgegen weit verbreiteter Meinungen hat die liberale Wirtschaftsordnung jedoch nicht zu einer sehr ungleichmässigen Einkommensverteilung geführt. Die Schweiz verfügt über einen relativ tiefen Gini-Koeffizienten (Messgrösse für Ungleichgewicht).
- Das Verhältnis zwischen Kapital- und Lohneinkommen hat sich über die Jahre nicht akzentuiert. Der Verzicht auf eine dirigistische Industriepolitik hat die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen begünstigt.
Impressionen und Interview mit Stefan Brupbacher
(en français)
Podiumsdiskussion
Klar wurde im Rahmen der Podiumsdiskussion, dass die Berufsbildung ein essentieller wirtschaftlicher Erfolgsfaktor darstellt. Die Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass der duale Ausbildungsweg gegenüber einem schulischen, gymnasialen Weg keineswegs als zweite Wahl wahrgenommen werden sollte. Vielmehr müssten Brücken zwischen Schulen auf Stufe Sek. 1, Gymnasien und Unternehmen gebaut werden, damit Schülerinnen und Schüler den für sie passenden Bildungsweg finden könnten.
Nicola Thibaudeau, CEO MPS Micro Precision Systems AG, und Patrick Linder, Direktor der Handelskammer Jura bernois, betonten, dass die Industrie über einen Fachkräftemangel verfüge. Alle Parteien seien gefragt, damit die industriellen Ausbildungen die entsprechende Wertschätzung erfahren würden. Und sich letztlich viele Jugendliche für Ausbildungen mit positiven Perspektiven entscheiden.
Gemeinsam nach vorne schauen
Einen aktiven Part spielten beim Berufsbildungstag auch die Lernenden. In den Workshops am Nachmittag brachten sie ihre Sichtweisen ein und teilten gemeinsam mit Vertretern aus der Berufsbildungspraxis ihre Erfahrungen und Einschätzungen zur Pandemie und dem aktuellen Fachkräftemangel.
Thomas Schumacher, Leiter Swissmem Berufsbildung, stellte in seinen Ausführungen das Team von Swissmem Berufsbildung vor, verwies auf die breiten Dienstleistungen und strategischen Handlungsfelder und ging auf einige wichtige Projekte und Events ein. Dazu gehören unter anderem:
Emotionen und Freude
Der Video-Rückblick zu den vergangenen WorldSkills, den Thomas Schumacher als Einstimmung auf die kommenden SwissSkills ( 7. - 11. 9. 2022) mitgebracht hatte, bildete eine gute Überleitung zum Impuls-Referat von Bernard Challandes. Auch wenn es in der Industrie oft um Präzision und genaue Prozesse gehe, so seien in der Ausbildung und im beruflichen Alltag - genau so wie im Sport - Emotionen wichtig, betonte der Erfolgstrainer und ehemalige Berufsfachschullehrer. Das Video zeige dies eindrücklich auf.
Darüber hinaus strich Challandes in seinem mitreissenden Referat vor allem zwei Dinge heraus: Teamleistung und Spass. Für besondere Leistungen seien beide essenziell. Es liege in der Kunst des Trainers - und der Ausbilder - diese beiden Aspekte stets im Auge zu behalten (Referatsfolien).
Journée Swissmem 2023
Der nächste Journée Swissmem findet am 27. Januar 2023 in den Veranstaltungsräumen von Explorit in Yverdon-les-Bains statt.