Der Berufsbildungstag 2023 startete mit einem Grusswort aus der Politik. Der Luzerner Ständerat Damian Müller begrüsste die Gäste «am schönsten See der Schweiz». Den Luzerner Stolz sollten die Teilnehmenden an diesem Tag noch mehrfach zu spüren bekommen. Zurecht. Bei Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen präsentierte sich die Stadt von ihrer schönsten Seite.
Mit dem Verkehrshaus sei ein Veranstaltungsort gewählt worden, der für eine innovative Schweiz stehe, sagte Müller und lobte die Berufsleute der Tech-Industrie, die einen wesentlichen Beitrag zu dieser Innovationskraft leisten.
Die Berufslehre erachtet er als Königsweg, um junge Erwachsene in die Erwachsenenwelt zu integrieren. So sei auch sichergestellt, dass die Wirtschaft weiterhin gedeihe. Als ehemaliger KV-Lernender weiss der FDP-Ständerat, wovon er spricht: «Mit einem EFZ in der Tasche, kann man alles erreichen», ist er überzeugt. Zuletzt appellierte er an den Pioniergeist der Schweiz. Dieser sei uns in den letzten Jahren etwas abhandengekommen gekommen, meinte Müller mit Bezug auf die Europapolitik. «Wir müssen wieder bereit sein, Risiken einzugehen und dürfen nicht zu lange zögern, sonst werden wir irgendwann überholt», so der Ständerat.
Mehr Frauen für die Technik begeistern
Sabine Sulzer, Professorin für Technik & Architektur und Vizedirektorin der Hochschule Luzern ging in ihrem Referat (Präsentation) den beiden Fragen nach «Was ist Nachhaltigkeit» und «Wie lässt sie sich vermitteln». Anhand des Konzepts des «Homo Sustinens» – ein Menschenbild, das gekennzeichnet ist durch Naturbezug, Kooperation, dem Willen zu Lernen, Kreativität und Verantwortungsbewusstsein – erläuterte sie ihr Verständnis von Nachhaltigkeit und zeigte mittels konkreter Projekte auf, wie die Hochschule Luzern dazu beiträgt, die Strategie zur nachhaltigen Entwicklung des Bundes 2030 zu erreichen.
Neben den ökologischen Zielen sprach sie auch die soziale Dimension der Nachhaltigkeit an und rief das Publikum dazu auf, sich verstärkt für mehr Frauen in der Tech-Branche zu engagieren.
Lediglich 13.5% beträgt der Frauenanteil bei den Studierenden der Fächer Technik und IT an der Hochschule Luzern. Mit Begabung habe das nichts zu tun, ist Sabine Sulzer überzeugt. Ihre Erfahrung sei vielmehr, dass Frauen oftmals ermuntert werden müssten, weil sie sich ein MINT-Studium selbst nicht zutrauen würden.
Nachhaltige Entwicklung als Querschnittaufgabe
Thomas Schumacher, Leiter Swissmem Berufsbildung zeigte auf, wie im Rahmen der Berufsreform FutureMEM (Präsentation) die Nachhaltigkeitsthematik zunehmend in die Berufsentwicklung integriert wird. Es nütze wenig, wenn Nachhaltigkeit im Lehrplan isoliert behandelt werde, so Schumacher. Viel wichtiger sei, dass sie sich direkt in den Formulierungen der Handlungskompetenzen und Leistungskriterien niederschlage. Dies bilde die Basis für eine integrale Umsetzung.
Auch Thomas Schumacher betonte die grosse Bedeutung der Tech-Berufsleute für die Entwicklung nachhaltiger Lösungen (Präsentation). Entsprechend Sorge bereitet ihm, dass die Zahl der Lernenden über die letzten Jahre zurückgegangen ist und der Fachkräftemangel zunimmt. Mit der Kampagne «Faszination Technik» (www.faszination-technik.ch), die sich gezielt an junge Leute richtet, will die Tech-Industrie dem begegnen.
Sensibilisierung durch konkrete Projekte
Im anschliessenden Podiumsgespräch stellten sich Bruno Wicki, Leiter Schindler Berufsbildung, Reto Loretz, Co-Rektor Berufsbildungszentrum Wirtschaft, Informatik und Technik, Christine Roth, Ressortleiterin Umwelt bei Swissmem, Rudolf Stadelmann, Projektleiter und ehem. Geschäftsführer Shiptec AG sowie Florian Schubkegel, Lernender Polymechaniker RUAG den Fragen von Moderatorin Eveline Bürgi. Im Mittelpunkt der Diskussion stand die Frage, wie man Jugendliche für die Nachhaltigkeitsthematik sensibilisiert. Rudolf Stadelmann zeigte sich überzeugt, dass man die Jungen nicht sensibilisieren müsse, weil sie dieses Nachhaltigkeitsverständnis bereits mitbringen würden. Nachhaltigkeit sei eine Kulturfrage. Wenn das Umfeld stimme, könne auch etwas entstehen, so Stadelmann.
Bruno Wicki stimmte ihm bei. Es sei an den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern in Bezug auf Nachhaltigkeit eine Vorbildrolle einzunehmen. Lernende müssten zudem ernst genommen werden, wenn sie mit eigenen Ideen an die Erwachsenen herantreten würden und etwas von sich aus verändern wollten. Christine Roth gab einen Überblick, wo die Industrie bezüglich Nachhaltigkeit heute steht. Auf die Publikumsfrage, ob Nachhaltigkeit für die Unternehmen nicht teuer sein, sagte sie: «Nichts tun kostet die Unternehmen auch». Reto Loretz, der seine berufliche Laufbahn selbst mit einer Polymechaniker-Lehre startete, teilte seine Erfahrung, dass konkrete Projekte oftmals die beste Möglichkeit seien, um technikaffine junge Leute für nachhaltige Lösungsansätze zu begeistern.
Die Kraft der Sonne nutzen
Den Beweis dafür lieferten am Nachmittag zwei interaktive Vorträge, bei denen Lernende die Hauptrolle spielten. Béla Amberg, Lernender Anlagen- und Apparatebauer bei Schindler Berufsbildung demonstrierte mit seinem Berufsbildner Hugo Bründler wie sie im Auftrag eines Kunden ein Solar Bimini für eine Katamaran Segelyacht konstruiert und realisiert haben. Die Solaranlage liefert Strom für die elektronischen Geräte an Board und spendet gleichzeitig Schatten.
Die Lernenden Eric Bachmann und Pascal Müller, Elektroniker der Schindler Berufsbildung sowie Quirin Gasser, Automatiker der Perlen Papier AG präsentierten einen stoffartigen Getränkekühler, den sie im letzten Semester im Rahmen der Interdisziplinären Projektarbeit (IDPA) entwickelt haben. Statt warmgewordene Getränke im Kühlschrank wieder herunterzukühlen, helfen die Stoffummantelungen mittels Verdunstungsenergie das Getränk länger kühl zu halten.
Die Industrie ist gut unterwegs
Martin Hirzel, Präsident Swissmem öffnete in der zweiten Nachmittagshälfte nochmals das Feld und zeigte auf, wie die Schweizer Industrie Nachhaltigkeit lebt. Einerseits, indem sie 327’000 Menschen in der Schweiz Arbeit bietet, was rund 6% der Gesamtbeschäftigung in der Schweiz entspricht und andererseits, indem sie die Innovationen entwickelt, die dazu beitragen, die globalen Herausforderungen zu meistern.
Als einzige Branche habe es die Industrie zudem geschafft, die Klimaziele des Bundes zu erreichen, indem sie seit 1990 ihre CO2-Emissionen um mehr als die Hälfte gesenkt habe. Zum Abschluss bedankte sich der Swissmem-Präsident bei allen Anwesenden: «Mit dem, was Sie als Berufsbildnerinnen und Berufsbildner leisten, tragen Sie viel mehr zur Nachhaltigkeit bei als manch anderer.»
(Präsentation)
Never give up! Ask for help! Be creative!
Zum Schluss nahm Louis Palmer die Gäste mit auf eine Weltreise. Der Nachhaltigkeitspionier und Initiator des Solar Butterfly (Tecindustry) berichtete von seiner abenteuerlichen Reise mit dem Solar Taxi rund um die Welt.
Die Learnings von Palmer: Nachhaltigkeit lohnt sich und gute Ideen lassen sich verwirklichen, auch wenn sie noch so verrückt sind.
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Der nächste Berufsbildungstag findet am Freitag, 17. Mai 2024 in der Aeschbachhalle Aarau statt.
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