Wo einst Maschinen fürs Kneten von Teig hergestellt wurden, stand vergangene Woche die Frage im Raum: «Wie können die Berufe der Tech-Industrie für künftige Generationen attraktiv bleiben?»
Die Aeschbachhalle AHA in Aarau bildete zum Abschluss der nationalen Woche der Berufsbildung für die über 270 Besucherinnen und Besucher ein ideales Setting, um das Tagungsthema zu kneten und zu formen.
Stimmen und Impressionen zum Berufsbildungstag
Gemeinsamer Effort
«Wir brauchen alle», machte Regierungsrat Alex Hürzeler in seinem einleitenden Referat deutlich. Es braucht unterschiedliche Fachkräfte mit unterschiedlichen Bildungswegen, und es braucht ein Miteinander von Schule und Wirtschaft.
Der Vorsteher des Departements Bildung, Kultur und Sport sah seinen Kanton dabei grundsätzlich in einer guten Ausgangsposition. So konnten im Kanton Aaragau in den vergangenen Jahren verschiedene Gefässe geschaffen werden, welche mithelfen, die Berufswahl bedarfsgerecht und effizient zu gestalten. Mit einer Stärkung der Initiative Schule und Wirtschaft soll die Vernetzung künftig noch intensiviert werden. Das Ziel bei der Berufswahl sei dabei klar: Jede Schülerin und jeder Schüler soll einen passenden Einstieg in die Berufswelt finden.
Absage an Stereotypen
Dass die Jugend für Wandel steht und sich nicht immer ganz konform verhält, könnte man an der Geschichte der Aeschbachhalle ablesen: Nach deren Schliessung stand die Halle fast 30 Jahre leer. Dies nutzten Sprayer in der Übergangszeit für ihre Kunst, und im Keller wurden zuweilen illegale Partys organisiert.
Oder man könnte gar auf den griechischen Philosophen Sokrates zurückgehen. Dieser beklagte sich bereits vor über 2400 Jahren: «Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.»
Der Personalmarketingexperte Jörg Buckmann verzichtete in seinem Referat bewusst auf eine Typologisierung der Generationen Z und Alpha. Vielmehr strich er hervor, dass die Jugend schon immer leicht andere Sichtweisen hatte. «Berufsbildung heisst: Widersprüche managen.» Und dies sei schon immer so gewesen, so Buckmann. Er war daher der Ansicht, dass gerade dieses Spannungsfeld ein Privileg sei, das die Arbeit mit Jugendlichen besonders spannend macht. In seinem Referat liess er dann auch einige unkonventionelle Tipps folgen, die oft in der Diskussion wenig Beachtung finden. Buckmann wies beispielsweise darauf hin, den Jugendlichen Sicherheit zu vermitteln, die Eltern verstärkt zu adressieren oder auch die Skills zu betonen anstelle von einer strikten Orientierung an Schulnoten.
Reale Kontakte ermöglichen
Die Podiumsdiskussion zeigte, wie wichtig auch in einer digitalisierten Welt reale Erfahrungen und persönliche Kontakte sind. Dies beginnt bei der frühen Förderung für Technik, spielt aber auch im Austausch mit den Schulen sowie im Berufswahlprozess eine grosse Rolle. Dabei sind Zugangshürden möglichst unkompliziert abzubauen.
Deutlich wurde auch, dass die Branche neben ihrer Vielfalt verstärkt ihre Pluspunkte — gerade auch gegenüber jungen Frauen — ins Spiel bringen sollte. Wie Nora Teuwsen, Vorsitzende der Geschäftsleitung von ABB Schweiz, betonte, erlauben es die Berufe der Tech-Industrie, an zentralen Themen wie Klimaschutz und Energieeffizienz konkret Hand anzulegen.
Grosse Projekte unterwegs
Thomas Schumacher, Leiter Swissmem Berufsbildung, ging in seiner Tour d’horizon (Präsentation) auf die grossen Projekte ein, die in der Berufsbildung derzeit unterwegs sind. Mit der Gründung eines Vereins für die Umsetzung der Initiative «Faszination Technik» sowie eines Vereins für die Schaffung einer digitalen Lernumgebung konnten in den vergangenen Monaten wichtige Grundlagen gelegt werden, um künftige Herausforderungen anzugehen.
Mit den WorldSkills, die vom 10. bis 15. September in Lyon stattfinden werden, steht in diesem Jahr ein emotionales Highlight an. Schumacher lud die Gäste dazu ein, die Berufs-WM selbst zu besuchen und die jungen Champions zu unterstützen.
Dass rationale Technik und kreative Wortkunst kombinierbar sind, bewies der gelernte Informatiker und passionierte Slam Poet Eric Wermelinger. Mit seinen virtuosen Reimen schaffte er es, einen humorvollen Blick auf die Berufsbildung zu werfen, den Vormittag zusammenzufassen und gleichzeitig in die Mittagspause überzuleiten.
Berufsmarketing konkret
Der Nachmittag bot den Gästen die Möglichkeit, im Rahmen von zwei interaktiven Vorträgen konkrete Umsetzungen im Berufsmarketing kennenzulernen. Einerseits wurde die Initiative «Faszination Technik» (Präsentationsfolien) näher vorgestellt, andererseits zeigte die Firma Fischer Reinach (Präsentationsfolien), wie die Berufswahl erlebnisorientiert vermittelt werden kann.
Industrie hat Zukunft
Einen motivierenden Blick auf die Zukunft der Industrie warf Swissmem-Präsident Martin Hirzel. Er machte in seinem Referat klar, dass in den vergangenen Jahren in der Schweiz keine Deindustrialisierung stattgefunden hat. Obwohl die Tech-Industrie zu den zyklischen Branchen zählt und immer wieder Schwankungen unterliegt, konnte sie mit einer längeren Perspektive betrachtet den Bestand an Mitarbeitenden halten.
Einzig die leicht rückläufige Zahl an Lernende bereite ihm Sorgen, so Hirzel. Um dem entgegenzuwirken, brauche es das Engagement aller Akteure.
Hirzel zeigte sich überzeugt, dass die Industrie auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der Schweizer Wirtschaft spielen werde. Denn klar ist: ohne ihre Technologien und ohne ihr Know-how werden aktuelle Herausforderungen wie Klimaschutz, Mobilität, Gesundheit oder Ernährung nicht angegangen werden können. Die Tech-Industrie biete, so Hirzel, gerade auch für junge Menschen die Möglichkeit, in der Schweiz und weltweit etwas zu bewirken.
Vom Binnenland zu den Weiten des Atlantiks
Was mit einer starken Vision, Wille und Ausdauer sowie Teamgeist möglich ist, zeigte Samuel Widmer in seinem bildstarken Referat. Die verrückte Idee, die am Anfang seiner Reise stand: Vier Freunde aus der Schweiz, die keine Ahnung vom Rudern haben, beschliessen, am härtesten Ruderrennen der Welt teilzunehmen. Sie geben sich drei Jahre, um ihr Ziel zu erreichen: 4800 km von den Kanarischen Inseln in die Karibik zu rudern und als erste anzukommen.
So ungünstig die Voraussetzungen waren, so gross die Anzahl der Hürden, die es zu überwinden gab, so missglückt die ersten Kilometer des Rennens waren: die vier Freunde haben ihr Ziel erreicht! Ihre Geschichte könnte durchaus mit einem Start-up verglichen werden, dass sich auf einen neuen Markt und eine neue Technologie einlässt, und trotz vieler Widrigkeiten den Markterfolg findet.
Aktuell planen die vier, inzwischen gelernte Ruderer, die Teilnahme an einem nächsten Rennen. Sie möchten im Juni 2025 das 4444 km lange Rennen von Monterey (USA) nach Kauai (Hawaii) in Angriff nehmen. Weitere Informationen und Unterstützungsmöglichkeiten der Pazifik Challenge finden Sie unter: www.swiss-raw.ch.
Save the date: Berufsbildungstag 2025
Der nächste Swissmem Berufsbildungstag findet statt am
Freitag, 23. Mai 2025, OLMA Messen St. Gallen
Wir freuen uns, wenn Sie dabei sind.